Leider hat die Anti-Impf-Bewegung, die in der Corona-Zeit populär wurde, inzwischen auch die Veterinärmedizin erreicht. In sozialen Netzwerken tauchen Ratschläge auf wie: „Welpen nicht impfen“, „das Immunsystem nicht belasten“, „Impfungen sind nur Geschäft“. Das Problem ist jedoch: Viren haben kein TikTok, lesen keine Posts und passen sich nicht an Trends an – sie infizieren einfach.

Und am meisten überrascht, wie unlogisch die Argumente wirken, die aus der Humanmedizin auf Hunde übertragen werden.

Während Covid gab es die tatsächliche Diskussion, dass einige Impfstoffe keinen vollständigen mehrjährigen Prüfzyklus durchlaufen hatten. Aber veterinärmedizinische Impfstoffe sind keine Notfallprodukte, die in wenigen Monaten entwickelt wurden.

Sie existieren seit Jahrzehnten, sind vollständig geprüft und weltweit millionenfach erprobt.

Darum wirken Debatten „für“ oder „gegen“ Grundimpfungen bei Hunden eher seltsam: Es ist meist ein Missverständnis des Kontexts oder eine Übertragung menschlicher Ängste auf eine völlig andere medizinische Realität.

Grundimpfungen: Warum es hier keine Diskussion geben sollte

Parvovirose, Staupe, Adenovirose, Hepatitis und Leptospirose – diese Krankheiten existieren weiterhin. Ein ungeimpfter Welpe kann innerhalb weniger Tage sterben. Die Behandlung kostet das 10–20-Fache einer Impfung – und das Ergebnis ist trotzdem nicht garantiert.

Der Impfplan für Welpen:

  • 8 Wochen – erste Impfung
  • 12 Wochen – Wiederholungsimpfung
  • ab 16 Wochen – Booster
  • ab 12 Wochen – Tollwut (für Pass, Reisen, Dokumente)

L2 oder L4: Die einzige wirklich sinnvolle Diskussion

L4 ist die einzige Impfung, über die man tatsächlich differenziert sprechen sollte.

L4 schützt gegen vier Leptospiren-Serotypen, von denen zwei vor allem in folgenden Bereichen vorkommen:

  • landwirtschaftliche Gebiete
  • stehende Gewässer
  • Jagd- und Waldregionen
  • Orte mit hoher Rattenpopulation

Für kleine Stadt- und Wohnungshunde ist der Kontakt mit diesen Serotypen gering. Gleichzeitig treten nach L4 häufiger Nebenwirkungen auf als nach L2. Deshalb ist für städtische, dekorative Hunde L2 meist völlig ausreichend – sie deckt die relevanten Serotypen ab und wird besser vertragen.

L4 ist nicht „schlecht“ – sie ist nur für Hunde mit erhöhtem Risiko vorgesehen.

Zwingerhusten: Wann die Impfung sinnvoll ist – und wann nicht

Zwingerhusten (Bordetella/Parainfluenza) ist eine hoch ansteckende, aber nicht lebensbedrohliche Erkrankung.

Empfohlen, wenn der Hund:

  • an Gruppenkursen teilnimmt
  • Hundewiesen oder Orte mit vielen Hunden besucht
  • Ausstellungen oder Sportevents besucht
  • in einer Hundepension untergebracht wird
  • Kontakt zu Straßenhunden hat

Nicht zwingend notwendig, wenn der Hund:

  • hauptsächlich zuhause lebt
  • keine engen Kontakte zu vielen Hunden hat
  • nicht reist und nicht an Events teilnimmt

Ein Wort zur Tollwut

Die Tollwutimpfung gilt als „schwerer“ Impfstoff und kann stärkere Reaktionen hervorrufen. Daher ist hier der epidemiologische Kontext wichtig.

Deutschland ist seit 2008 offiziell tollwutfrei (bodenständige Fuchs-Tollwut).
Der letzte natürliche Fall wurde 2006 registriert.

Für dekorative Wohnungshunde ist das reale Risiko praktisch null.

Wenn keine Auslandsreisen geplant sind und der Hund im städtischen Umfeld lebt, kann es sinnvoll sein, die Tollwutimpfung erst ab ca. 6 Monaten durchzuführen.

Für Reisen ins Ausland bleibt sie selbstverständlich obligatorisch.

Fazit

99 % aller Diskussionen über Hundevakzination basieren auf Mythen und übertragenen Covid-Ängsten – nicht auf veterinärmedizinischen Fakten.

  • Grundimpfungen sind seit Jahrzehnten bewährt
  • Risiken ohne Impfung sind massiv höher
  • Behandlung ist teurer und unsicherer als Prävention
  • L4 und Zwingerhusten sind Einzelfallentscheidungen – abhängig vom Lebensstil
  • Die Tollwutimpfung ist schwerer, kann aber bei Wohnungshunden ohne Reisepläne später erfolgen

Hunde haben keine Wahl – wir tragen die Verantwortung, sie zu schützen.